Der 3. Fachtag Coaching am 30.9.2016 stand unter dem Motto Agile Methoden

Ein Rückblick mit Bildern

Drei Unternehmen stellten ihre Prozesse vor, die sich in der Unternehmenskultur umfassend von traditionellen unterscheiden. Die Referenten kamen von folgenden Unternehmen: einem Anbieter cloudbasierter Video-Streaming-, Video-Hosting- und Video-Management-Lösungen im B2B-Bereich (MovingIMAGE24 GmbH); einem technologiebasierten Finanzdienstleister (Hypoport AG, Berlin) sowie einem der größten Voice-over-IP-Anbieter Europas (sipgate GmbH, Düsseldorf).

 

1. MovingIMAGE24 GmbH

MovingIMAGE24 stellte zum einem die Grundprinzipien von Agilität vor und leitete über zu dem Vorgehen mit Scrum. Das A-Team (engl.: agile-Team) stellt sich selbst die Aufgabe für Entwicklung und Erfolg des Einzelnen und somit den Gesamterfolg der Organisation zu sorgen und die Menschen dazu zu befähigen, selbstorganisiert sinnstiftende Ergebnisse zu erreichen. Dass diese Aufgabe psychologische Kompetenzen erfordert ist unbestritten.

 

Die Arbeitsweise von agilen Teams wird am Bespiel von Scrum erklärt, welches ein Rahmenwerk ist, das die Zusammenarbeit von Menschen organisiert, um erfolgreiche Teams zu bilden. Aber was sahen die Scrum Master und Agile Coaches als relevante Kompetenzen für ihre Arbeit? Besonders hervorgehoben wurden Empathie und Kommunikationsfähigkeit, um Vertrauen zu schaffen und letztendlich Veränderungen zu bewirken. Gerade die Mitnahme von Führungskräfte ist dabei zentral, denn bei der dieser Arbeitsweise sind zwangsläufig die Hierarchien verschlankt und von Führungskräften werden besondere Skills erwartet. Führungskräfte stellen sich dann schnell die Frage, was ihre Aufgabe zukünftig sein soll. Völlig hinderlich ist v.a. Mikromanagement, denn selbstorganisierte Teams steuern sich anders. Im Endeffekt sind klare Regeln die Arbeitsgrundlage schlechthin, ob es für das morgendliche Stand-Up-Meeting (15 Minuten) ist oder für die Retrospektiven im ein- bis zweiwöchigen Rhythmus. Das Setzen von time-boxen (Zeitrahmen), man könnte auch sagen Zielsetzungen (SMART) sind gängige Praxis.

 

2. Hypoport AG

Selbstorganisierte Team: Vorprogrammiertes Chaos oder echter Mehrwert?

 

Um

die Welt zu ruinieren, genügt es, wenn jeder seine Pflicht tut. (Winston Churchill)

BisherigeHandlungsmuster führen heute nicht mehr zu dem gewollten Ergebnis, vor allem ineiner dynamischen Umgebung, die ganz besonders in softwaregetriebenen Branchen besteht.

 

Komplexität, Vernetztheit, Dynamik sind nur einige Stichworte, aber auch das Menschenbild Y entsprechend der Theorie X, Y (McGregor, 1960). Mit letzterem versuchte Hypoport Differenzierungen in Arbeitsweise und Motivation zu erklären.

 

Was sich in dem Beitrag sehr klar heraus bildete, es werden andere Führungs- und Motivationsansätze gefordert, um die angestrebten Ergebnisse des Unternehmens mit den Mitarbeitern zu erreichen. Es wurde über vielfältige Formen organisationaler Prozesse

wie z.B. Visions-, Führungs-, Mitarbeiterworkshops in verschiedensten Kontexten und Phasen berichtet, die dafür sorgen sollten Kommunikationsmuster zu reflektieren und ganz zentral Entscheidungsfähigkeit zu schaffen. Denn selbstorganisierte Teams sind autonome Teams, autonom in ihren Entscheidungen und deren Umsetzung.

 

 

3. Peer Recruiting, sipgate GmbH, Düsseldorf

Als dritten Beitrag gab es Einblicke in die Personalauswahl, die anderen Regeln folgt und offensichtlich optimal in dem Unternehmenskontext funktioniert.

 

Innerhalb von 24 Stunden wird typischerweise über Bewerber entschieden. Entscheidungsprozesse laufen im (relevanten) Team mit den Personalvertretern ab. Vom Prinzip her ist jeder in den Bewerbungsprozessen regelmäßig eingebunden. Je kleiner das Team, um so öfter.

 

Jede Absage enthält ein qualifiziertes Feedback über die Ablehnungsgründe. Sipgate wartete schon auf die fast automatisch auftauchende Frage, was denn mit Klagen von abgelehnten Bewerbern ist, wie sie sich davor schützen wollen. Natürlich besteht die Gefahr, aber im Sinne eines wertschätzenden Vorgehens mit dem Bewerber ist ihnen das noch nie passiert. Diskriminierende Ablehnungsgründe (Alter, Geschlecht u.ä.) werden selbstverständlich beachtet, aber wenn der Bewerber relevante Kriterien nicht bietet und diese ggf. in den Bewerbungsmaterialien (z.B. fehlerhafter Code auf der Bewerber-Website) erkennbar sind, wird dies in der Ablehnung umfassend argumentiert. Damit ernten sie sogar mehr Respekt, da dies ein wertvolles Verbesserungspotenzial für den Bewerber darstellt und es ggf. im nächsten Versuch erfolgreicher läuft. Damit tut sipgate eine ganze Menge in Richtung positiven Arbeitgeberbrandings.

 

Wer mehr über die Realität dieses Vorgehens erfahren möchte, kann sich auf kununu ein eigenes Bild machen, denn dort bewerten Bewerber/Mitarbeiter anonym ihre Erfahrungen mit dem Arbeitgeber.

 

Zu den Auswirkungen einer geänderten Arbeitsweise bei sipgate zählen aber neben denen im Recruting auch folgende Aspekte:

 

Pairing: zu zweit am PC coden (programmieren), sprich Aufträge bearbeiten. Warum zu zweit? Die zweite Person steht als Korrektur zur Verfügung, die Fehlerhäufigkeit nimmt ab, der Prozess erhält mehr Transparenz, da sich mindestens zwei Personen damit beschäftigen. Das Wissen wird weiter verbreitet. Aber den größten Mehrwert sieht das Unternehmen darin, dass die Aufgaben gezielt zu Ende gebracht werden, dass nicht zwischen Aufgaben gesprungen wird und nicht mehrere Aufgaben begonnen, aber nicht zu Ende gebracht werden.

 

Open Friday: an diesem Tag kann jeder Mitarbeiter Themen vorschlagen, die für die Firma am wertvollsten sein könnten. Sipgate sagte dazu Zusätzlich veranstalten wir an diesen Tagen einen Open Space – also eine ad-hoc Konferenz – um den Tag optimal zu nutzen: Wir verteilen Wissen, lösen Probleme, sammeln Ideen und haben eine Menge Meetings abgelöst.

http://www.sipgateblog.de/open-friday-wissen-verteilen-mit-open-spaces/

 

Fazit

Auch wenn es nur ein Nachmittag war, an dem sich der Fachtag Coaching einer neuen Arbeitsweise und Organisationsform gewidmet hat, es hinterließ nachhaltigen Eindruck bei den Teilnehmern und wird hoffentlich zukünftig auch weitere Arbeitsfelder eröffnen. Denn was die Beiträge zeigten, diese Teams und Führungskräfte bedürfen vielfältige psychologische Beratung, ob in Form von kurzzeitigen Coachings für Gruppen oder Einzelpersonen, Moderationen, Team- und Führungskräfte-Workshops und vielem mehr. Psychologische Konzepte sind in allen Beiträgen verschlüsselt genannt, aber das Rad muss ja von den Teams nicht neu erfunden werden, es reicht die entsprechenden Fachleute anzusprechen und dann zielgerichtet Hilfe einzuholen. Dafür steht der Berufsverband und im speziellen die Sektion Wirtschaftspsychologie.

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